1. An was sterben wir heute?
Sei froh, dass du nicht 1349 gelebt hast.
Gottes Strafe brach damals über die Stadt herein. So glaubte es Agnes jedenfalls.
Manche behaupteten, der Teufel habe die kosmische Konstellation von Mars und Saturn genutzt. Andere behaupteten die Hebamme hätte die Brunnen vergiftet. Der Schneider glaubte, dass es Luftdämonen waren, die das Unheil verbreiteten.
Vielleicht war es aber auch die Kogge aus Lübeck gewesen, die nicht nur Wolle und Gewürze, sondern auch die Pest in die Stadt brachte.
Agnes fegte an einem nebeligen Morgen das Kopfsteinpflaster vor der Hafen-Taverne, als sie das rhythmische Knarren von Rudern hörte.
Ihre Augen blieben an einer schnellen Bewegung hängen – eine Ratte, die auf dem Deck über einen Sack mit Getreide huschte. Ihr fettiger Schwanz verschwand in einem Haufen Seile. Ein Matrose sprang mit einem Tau an Land und befestigte es an einem Poller.
In diesem Moment sah Agnes eine zweite Ratte, die über die Reling kletterte und auf die Kaimauer sprang.
Als Agnes die Beulen in der Achsel und der Leiste bemerkten, war das Handelsschiff mit seinen dreißig Matrosen schon wieder ausgelaufen.
Die Glocken läuteten, als am Samstag im Getreidekontor der dritter Hafenarbeiter mit hohem Fieber zusammenbrach. "Der schwarze Tod", flüsterten die Menschen. Die Plage breitete sich wie ein Feuer durch alle Viertel aus. Mit hellen Flammen versengte sie die Jungen, loderte nur kurz in den Körpern der Alten und fraß sich durch die gesamte Stadt. Der Tod war nicht wählerisch. Er nahm alle – reich oder arm, tugendhaft oder sündig.
Die Hafenstadt verlor in 17 Pestwochen fast die Hälfte ihrer ihrer Einwohner.
An was sterben wir Menschen heute?
Rund 40% der Menschen sterben an den Folgen der Arterienverkalkung, wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Einer der wichtigsten Risikofaktoren dafür ist Bluthochdruck.
Nicht die Pest, die wir längst mit Antibiotika bezwingen können, ist unser Feind, sondern ein Gegner, der ebenso heimtückisch, aber viel leiser agiert. Ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland lebt mit hohen Blutdruckwerten, oft ohne es zu ahnen. Kein Fieber, keine Beulen, keine warnenden Zeichen – bis der stille Killer zuschlägt.
"Ich müsste es doch spüren, wenn der Blutduck zu hoch wäre!" sagte erst letzte Woche ein Patient zu mir. Nein! Wir bemerken den Dämon nicht! Inzwischen kann ich mitreden: Ich merkte nichts von meinen hohen Blutdruckwerten und trotzdem ist die Gefahr real.
Doch anders als Agnes im Jahr 1349 haben wir eine Wahl. Wir können Vorsorge treffen, handeln, ehe es zu spät ist.