Die Dilatative Kardiopathie

09.04.2025

"Sie haben noch maximal zehn Jahre" – und wie es ganz anders kam: Leben mit dilatativer Kardiomyopathie

Als Herr Mandel vor 15 Jahren mit Atemnot und massiver Erschöpfung in die Notaufnahme kam, dachte er zunächst an eine verschleppte Erkältung. Dass sich daraus eine chronische Herzerkrankung entwickeln würde, die sein Leben für immer verändern sollte, ahnte er damals nicht.

Doch es kam anders. Und trotzdem – oder gerade deswegen – ist seine Geschichte eine Geschichte der Hoffnung.

Der Anfang: Wenn ein Infekt mehr ist als ein Infekt

Herr Mandel war 40 Jahre alt, sportlich, beruflich eingespannt, Vater zweier Kinder – mitten im Leben. Nach einer hartnäckigen Erkältung fühlte er sich zunehmend müde, bekam schlecht Luft und konnte kaum noch eine Treppe steigen. Dann, eines Morgens, ging gar nichts mehr: Er hatte das Gefühl zu ersticken, sein Herz raste, die Beine waren dick geschwollen. Seine Frau rief den Notarzt.

Im Krankenhaus dann die schockierende Nachricht: "Ihr Herz ist stark vergrößert, die Pumpleistung ist stark eingeschränkt – wir sprechen hier von einer dilatativen Kardiomyopathie. Es tut mir leid, aber die Lebenserwartung liegt vermutlich unter zehn Jahren."

Ein Satz, der sich eingebrannt hat. Und einer, der nicht stimmte.

Was ist eine dilatative Kardiomyopathie überhaupt?

Die dilatative Kardiomyopathie (DCM) ist eine Erkrankung des Herzmuskels, bei der sich die Hauptkammer des Herzens – meist der linke Ventrikel – zunehmend ausweitet (dilatieren) und an Kraft verliert. Das Herz kann das Blut nicht mehr ausreichend in den Kreislauf pumpen. Die Folge ist eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz), die schleichend beginnt und unbehandelt lebensbedrohlich werden kann.

Typische Symptome sind:

  • Luftnot bei Belastung oder sogar in Ruhe

  • Leistungsabfall, schnelle Erschöpfung

  • Herzrhythmusstörungen

  • Wassereinlagerungen in den Beinen

  • Gewichtszunahme durch Flüssigkeit

  • nächtliches Wasserlassen, nächtliche Atemnot

Die Diagnostik – oft ein Puzzlespiel

Die Diagnose "DCM" ist kein Urteil, sondern der Beginn einer intensiven medizinischen Abklärung. Bei Herrn Mandel war die kardiale Dekompensation – also das akute Versagen der Herzleistung – der Auslöser für eine umfassende Diagnostik:

  • Echokardiografie (Herzultraschall): zeigte eine stark erweiterte linke Herzkammer und eine Ejektionsfraktion (EF) von nur 30 % (normal: über 55 %)

  • Kardio-MRT: half, Narbengewebe und Entzündungen sichtbar zu machen

  • Herzkatheter: um eine koronare Herzkrankheit auszuschließen

  • Herzbiopsie: um nach Entzündungen oder seltenen Ursachen wie Amyloidose zu suchen

Am Ende war klar: keine verstopften Herzkranzgefäße, keine genetisch nachweisbare Form – vermutlich eine virusinduzierte Myokarditis als Auslöser, wie sie nach Infekten vorkommen kann.

Ursachen einer DCM

Die DCM kann viele Ursachen haben – oft lässt sich keine eindeutige finden. Mögliche Gründe sind:

  • Genetische Veranlagung (familiäre Kardiomyopathie)

  • Virusinfekte (Myokarditis)

  • Toxische Ursachen (z. B. Alkohol, Chemotherapie)

  • Autoimmunprozesse

  • Hormonelle Störungen (z. B. Schilddrüse)

  • Idiopathisch – also ohne erkennbare Ursache

Die Therapie – mehr als nur Tabletten

Herr Mandel begann eine medikamentöse Therapie mit:

  • Entresto® (Sacubitril/Valsartan) – zur Entlastung des Herzens

  • Forxiga® (Dapagliflozin) – ein SGLT2-Hemmer, ursprünglich ein Diabetesmittel, das inzwischen auch in der Herzinsuffizienztherapie Standard ist

  • Spironolacton – ein Aldosteronantagonist, der die Prognose verbessert

  • Betablocker (Bisoprolol) – zur Senkung der Herzfrequenz und zur Schutzfunktion

Zusätzlich wurde ihm ein CRT-ICD (kardiale Resynchronisationstherapie mit Defibrillator) implantiert – ein spezieller Schrittmacher, der nicht nur die Herztätigkeit synchronisiert, sondern auch vor plötzlichem Herztod schützt.

Und heute? Ein Leben mit Herzschwäche – aber voller Leben

Heute, 15 Jahre nach seiner ersten Herzschwäche, ist Herr Mandel 55 Jahre alt. Seine Ejektionsfraktion liegt stabil bei 35–40 %. Das Herz ist also weiterhin eingeschränkt – aber er hat sich mit dieser Realität arrangiert.

Er arbeitet wieder, in Teilzeit, aber mit Freude. Er bringt die Kinder zur Schule, macht mit seiner Frau Radtouren, war letztes Jahr sogar auf einer Städtereise in Italien. Und er ist zufrieden mit dem, was er kann.

Sein Geheimnis? Konsequente Therapie – und ein aktiver Lebensstil.

Was Patienten selbst tun können

Neben der medikamentösen Therapie können Betroffene viel selbst tun:

  • Salz- und Flüssigkeitszufuhr anpassen (meist 1,5–2 Liter pro Tag)

  • Gewichtskontrolle – plötzliche Zunahmen können auf Wassereinlagerungen hinweisen

  • Regelmäßige Bewegung – angepasst an die Leistungsfähigkeit

  • Impfungen – insbesondere gegen Grippe und Pneumokokken

  • Psychische Gesundheit – Angst, Depression und Unsicherheit sind verständlich, aber behandelbar

Wichtig ist: Man ist der Erkrankung nicht ausgeliefert. Moderne Therapien und ein informierter Umgang machen einen großen Unterschied.

Ein bewegender Abschluss

Vor wenigen Monaten saß Herr Mandel auf der Hochzeit seiner Tochter. Als er sie zum Altar führte, hatte er Tränen in den Augen – nicht nur vor Rührung, sondern auch, weil er diesen Tag nie für möglich gehalten hätte.

Er erinnert sich noch gut an den Portugalurlaub, den die Familie ein Jahr nach der Diagnose machte – mit der Angst im Gepäck, es könnte der letzte gemeinsame gewesen sein. Heute lacht er über diesen Gedanken – denn inzwischen glaubt er fest daran, dass er sogar seine Enkel aufwachsen sehen wird.

Fazit: Hoffnung ist stärker als jede Statistik

Die dilatative Kardiomyopathie ist eine ernste Erkrankung – aber sie ist nicht das Ende. Dank moderner Medizin, individuellen Therapiekonzepten und engagierten Patienten wie Herrn Mandel ist heute viel mehr möglich, als früher gedacht.

Es lohnt sich, weiterzugehen. Schritt für Schritt – mit Herz und Hoffnung.