Blutdruck: Zielwerte, Normwerte, Schwankungen im Tagesverlauf

30.09.2024

Wo sollten deine Blutdruckwerte liegen? Welche Schwankungen sind normal und wann sollte man handeln?

Blutdruck, Zielwerte, Normwerte, Schwankungen im Tagesverlauf

  1. Einteilung des Bluthochdruckes 
  2. Zielwerte 
  3. Wie hoch ist noch okay? 
  4. Wie tief ist noch normal? 
  5. Der Blutdruck ändert sich im Tagesverlauf 


1.  Einteilung des Bluthochdrucks

Im August 2024 hat die europäische Gesellschaft für Kardiologie eine neue Einteilung der Blutdruckwerte herausgegebn und einen neuen Zielwert definiert.

  • Optimaler Blutdruck: Unter 120/70 mmHg. Super, alles im grünen Bereich!
  • Erhöhter Blutdruck  Zwischen 120-139/70-89 mmHg. Diese Kategorie wurde 2024 in der europäischen Leitlinie neu eingeführt, damit mehr Menschen erkannt werden, die ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall haben (Unten mehr zu den Empfehlungen für Lebensstil und Medikation in dieser Kategorie). Wenn dein Blutdruck in dieser Kategorie liegt, solltest du ab und zu messen, und deinen Blutdruck im Blick behalten.
  • Hypertonie Grad 1: 140-159/90-94 mmHg. Das ist zu hoch. Sprich mit deinem Hausarzt! 
  • Hypertonie Grad 2: 160-179/95-100 mmHg. Hier ist Handeln angesagt – und zwar flott! Zügig zum Hausarzt!
  • Hypertonie Grad 3: Über 180/110 mmHg. Jetzt besser gleich den Arzt aufsuchen!

2. Zielwerte: Wo soll's hingehen?

  • Für Menschen die Blutdruckmedikamente nehmen,  lautet der Zielwert 120-129mmHg systolisch und unter 80mmHg diastolisch. 
  • Soll der wirklich so tief sein? Ja! ich bin überzeugt, das diese Wert für unsere Gesundheit wichtig ist!
  • Stiller Killer nenne ich den Hypertonus, weil man den hohen Blutdruck nicht bemerkt. "Ich fühle mich sauwohl!" sagen Männer, deren Herz sichtbar unter Bluthochdruck leidet zu mir. Ich sehe oft deutlich veränderte Hypertonie-Herzen bei Menschen, die sich gesund fühlen.

  • Bei Hypertonie (Über 140/90mmHg) soll die medikamentöse Therapie sofort eingeleitet werden.
  • Bei leicht erhöhten Blutdruckwerten zwischen 120-139/70-89 mmHg  sollst du "vielleicht" Medikamente einnehmen. Da zu gibt es eine komplizierte Empfehlung. Jetzt soll dein Hausarzt zusätzliche Erkrankungen und Risikofaktoren berücksichtigen.


Bei leicht erhöhtem Blutdruck, also Werten zwischen 120-139/70-89 mmHg wird folgende Risiko-Abschätzung in 4 Schritten für die Therapieentscheidung empfohlen wird. Du kannst das nur überfliegen, dein Arzt wird das alles berücksichtigen in seiner Beratung.

  • Schritt 1: Liegen Risiko-erhöhende Krankheiten vor?
    Wenn du älter als 60 Jahre bist, oder herzkrank bist, oder ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) bekannt ist, oder eine familiäre Fettstoffwechselstörung (Hypercholseterinämie), sollen zwar noch zunächst nicht-medikamentöse Maßnahmen über 3 Monate erfolgen. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, so wird bei einem Blutdruck über 130/80 mmHg blutdrucksenkende Tabletten empfohlen.
  • Schritt 2: Wie hoch ist dein statistisches 10-Jahresrisiko für Herzinfarkt und Schlaganfall?
    Liegen keine Risiko-erhöhenden Krankheiten vor, so wird das 10-Jahresrisiko abgeschätzt mit Hilfe der Risikovorhersagemodelle SCORE2 (Alter 40-69 Jahre) oder SCORE-OP (Alter ≥ 70 Jahre). Hier wird nach dem Alter, Geschlecht, Rauchverhalten und den Cholesterinwerten gefragt. Bei einem geringen Risiko < 5 % werden nicht-medikamentöse Maßnahmen empfohlen, während bei einem Risiko ≥ 10 % eine Therapie mit Blutdrucktabletten eingeleitet  werden soll. Bei einem Risiko zwischen 5-10 % sind weitere modifizierende Risikofaktoren zu berücksichtigen.
  • Schritt 3: Liegen weitere, individuelle Risikofaktoren vor?
    Ein höheres Risiko haben spezielle Bevölkerungsgruppen (Besonders Menschen aus Africa, hauptsächlich Subsahara-Africa, und ihre Nachkommen haben ein erhöhtes Risiko). Aber auch, Autoimmunerkrankungen oder HIV tragen zu einem höhern Risiko bei.. Darüber hinaus gibt es einige Risikofaktoren bei Frauen (z.B. wiederholte Frühgeburten, vorherige Schwangerschaftshypertonie oder -Diabetes), die für eine medikamentöse Therapie bei Personen mit einem mittleren Risiko zwischen 5-10 % sprechen.
  • Schritt 4: Sind weitere Untersuchungen notwendig?
    Bei Unklarheit oder in speziellen Fällen kann es sinnvoll sein, weitere Untersuchungen und Scores in die Therapieentscheidung miteinzubeziehen, wie u.a. der koronare Verkalkungsgrad (CAC-Score) oder Messungen der arteriellen Gefäßsteifigkeit.m mittleren Risiko zwischen 5-10 % sprechen.

Für Menschen die Blutdruckmedikamente nehmen und die wegen erhöhtem Blutdruck überwacht werden lautet der Zielwert  120-129mmHg systolisch. 

Bei manchen Patienten, insbesondere bei älteren Menschen oder Menschen mit bestimmten Erkrankungen, können auch höhere Zielwerte angebracht sein. Dein Arzt hilft dir, die richtigen Werte für dich zu bestimmen. 



3. Wie hoch ist noch okay?

"Ihr Blutdruck liegt bei 230/110 mmHg," sagt Schwester Katrin zu Markus und lächelt dabei ganz entspannt. Hilfe! Hat Markus gerade eine Reise in die Notaufnahme gebucht? Wieso tut Schwester Katrin nichts? Ist das nicht viel zu hoch? 

Nein, Markus hat gerade seine Fahrradbelastungsuntersuchung beendet. Ach so! Kein Wunder, dass der Blutdruck da kurzzeitig durch die Decke schießt – all die arbeitenden Muskeln müssen mit Blut versorgt werden, unter Belastung ist ein Blutdruckwert von 230/110 völlig normal. (Hier findest du Information zur Blutdruckkrise, und Informationen, was du machen kannst, wenn zu hohe Blutdruckwerte in Ruhe Beschwerden machen)
Auch wenn wir angespannt sind oder Angst haben, steigt der Blutdruck. Zum Beispiel bin ich überzeugt, dass mein Blutdruck erhöht ist, wenn ich meine Zahnarztpraxis betrete (auch wenn der Zahnarzt supernett ist!). Unser Körper macht dabei etwas Sinnvolles! Das hat er in den vielen Jahren der Evolution gelernt. In solchen Situationen werden alle Muskeln gut durchblutet, sodass wir im Notfall schnell wegrennen könnten – wenn da nicht der nette Zahnarzt wäre, sondern vielleicht ein Säbelzahntiger hinter der Tür zum Behandlungszimmer.

4. Wie tief ist noch normal?

Auf der anderen Seite der Stadt sitzt Manuela und starrt mit leichtem Entsetzen auf ihre Blutdruckwerte der letzten Nacht: 70/40 mmHg. "War ich da halb tot?" fragt sie und schielt ängstlich auf den Hausarzt, der gerade die Einzelmesswerte ihres 24-h-Blutdruckuntersuchung vor sich liegen hat. Doch der winkt ab: "Keine Sorge, das ist nur Ihr Blutdruck im Tiefschlaf – da lässt der Körper auch mal locker."

(Hier findest du Informationen, wenn zu niedrige Blutdruckwerte im Alltag Probleme machen).



5. Dein Blutdruck ändert sich mit dem Tagesverlauf

Dein Blutdruck ist kein starrer Wert – er verändert sich im Laufe des Tages. Du bist ja ein lebendiger Mensch! 

Schon kurz bevor wir erwachen, steigt der Blutdruck etwas an. Morgens, kurz nach dem Aufstehen, schnellt er dann in die Höhe, um dich für den Tag fit zu machen. Mittags fallen die Werte dann etwas ab. Im Laufe des Nachmittags bis zum Abend steigt er wieder. Am späteren Abend und besonders nachts, wenn du im Land der Träume unterwegs bist, sinkt der Blutdruck dann wieder deutlich ab. 

In einem evolutionären Prozess hat sich der menschliche Körper an den Wechsel von Tag und Nacht angepasst. Zahlreiche körperliche Vorgänge sind an einer 24-Stunden-Periodik ausgerichtet. Dieser natürliche Rhythmus ist wichtig, denn dein Herz und deine Gefäße fühlen sich am wohlsten, wenn du dich tagsüber genügend bewegst und den Kreislauf auch mal richtig in Schwung bringst und wenn der Blutdruckabfall nachts dem Körper Zeit für Regeneration schenkt. 


Ich hoffe, dass das Verständnis dafür, dass dein Blutdruck kein starrer Wert ist, dir hilft deine Messwerte einordnen zu können. 

Mit diesem Verständnis kannst du selbst überlegen, was dir am besten tut: Ein Entspannungsspaziergang, ein Mittagschlaf oder ein Lieblingsbuch zum Ablenken? Oder gar eine Tasse Kaffee und ein großes Glas Wasser, weil deine Blutdruckwerte sehr niedrig sind und du dich schlapp fühlst.

Wenn bei dir ein hoher Blutdruck bekannt ist, profitiert deine Gesundheit davon, wenn du dich mit dem Thema gut auskennst. Davon bin ich überzeugt!

Grusel-Box: Das bewirkt zu hoher Blutdruck

Hoher Blutdruck führt zu zahlreichen Veränderungen an verschiedensten Körperstellen.

Herz

Den Herzkranzgefäßen sieht man den hohen Druck am geschlängelten Verlauf an. Wie ein Gartenschlauch der unter Druck steht dehnen und schlängeln sich die Gefäße. Das begünstigt Arterienverkalkung und damit Herzinfarkte.

Gehirn

Einige Gefäße, die zur weißen Masse unseres Gehirns ziehen, sind haarfein. Hoher Blutdruck kann zu Veränderungen führen, die diese dünnen Gefäße undurchlässig machen. Es entstehen Veränderungen in der weißen Substanz (White matter lessions), Veränderungen die zwar irgendwo auch altersassoziiert sind, aber eben auch ein Ausdruck einer Erkrankung der kleinen Blutgefäße. Schwere Veränderungen der weißen Substanz gehen praktisch immer mit einer gestörten Gedächtnisfunktion einher.

Auge

Der Augenarzt kann die feinen Blutgefäße am Augenhintergrund direkt sehen. Geschlängelte Gefäße können hier als erstes Zeichen für zu hohe Blutdruckwerte auffallen. Unbehandelt kann Hypertonus zu Sehverschlechterung und sogar zur Erblindung führen.

Niere

Einen gewissen Druck brauchen wir in den Nieren, damit die Giftstoffe und Ausscheidungsprodukte mit dem Harn abgepresst und ausgeschieden werden können. Ein zu hoher Druck kann aber diese Filtergefäße bleibend schädigen und zu Nierenschwäche und Dialysepflichtigkeit werden.

Potenz

Für die Männer: Hoher Blutdruck begünstigt eine erektile Dysfunktion.

Ich freue mich über deine Fragen, Kommentare und Rückmeldungen!

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